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Unauffällig zum Erfolg – der Werdegang des Peter Bitterlich

„ich habe immer auf extreme Qualität Wert gelegt“, sagt Peter Bitterlich mit leiser Stimme. Er ist ein unscheinbarer Typ. Weder besonders athletisch noch besonders groß, eher klein und zierlich, mit tiefen Falten im Gesicht und unauffälliger Kleidung. Auch seine Hände lassen nichts von seinem mechanischen Talent ahnen. Sie sind nicht mit Schwielen übersäht und haben keine aufgerissene Haut am Übergang zu den Fingernägeln. Nur ein Bisschen Dreck unter den Fingernägeln lässt erahnen, dass er zu den besten Handwerkern seiner Zunft zählt: Der Zunft der Automobiltuner.

Eine Zeitreise durch die Automobilgeschichte

Die handwerklichen Fähigkeiten von Bitterlich sind wie eine zeitreise durch die Automobilgeschichte: vom Hülsen-ziehen über das Drehen von Büchsen sowie hart- und Weichlöten beherrscht Bitterlich alle Winkelzüge des klassischen Automobilhandwerks in höchster handwerklicher Perfektion. Aus einer Zeit, als der Mann in der Werkstatt noch Kraftfahrzeugmechaniker hieß und nicht „Mechatroniker“: Die Vergaser an einem Oldtimer nach Gehör einstellen? Kein Problem!  Die Zylinderköpfe an einem Porsche für eine saftige Mehrleistung per Fräsarbeit vorbereiten? Gehört zum Alltag.

Bitterlich bei der Arbeit

Hier Schraubt der Meister noch selbst: Bitterlich bei der Arbeit

Bitterlich fräst einen Zylinderkopf

Detailarbeit: Bitterlich beim Fräsen eines Zylinderkopfes

Bitterlich ist aber kein Fossil des Automobiltunings, mit dem nur Youngtimerfans zu tun haben. Der mittlerweile 68-Jährige Tuning-Altmeister kommt genauso gut mit dem „Werkzeugkasten“ der neuen Generation des Automobilhandwerks zurecht. Chiptuning betreibt er absolut zeitgemäß auf höchstem Niveau. Während die meisten Tuner und Tuningwerkstätten die elektronische Leistungssteigerung ohne Rücksicht auf Verluste – und mit entsprechend vielen Defekten in die Autos Ihrer Kunden einbauen, geht Bitterlich hier viel diffiziler vor: „Zuerst teste ich jedes Auto auf Herz und Nieren, um ein möglichst genaues Bild vom Zustand des Motors zu bekommen“, erklärt Bitterlich. „Erst danach kann man mit Sicherheit sagen, ob der Motor genug Substanz hat, um ein Chiptuning zu vertragen“. Um den Chip an die Substanz des Motors anzupassen, programmiert Bitterlich anschließend die Kennlinien selbst. Ein Schritt, den nur wenige der jungen Tuner vornehmen. Und noch weniger können. Sagt Bitterlich: „glauben Sie bloß nicht, dass die Chips programmieren“, sagt Bitterlich und schmunzelt.

Lehrjahre bei ABT und Erfolge bei der deutschen Bergmeisterschaft

Seine handwerkliches Repertoire hat Bitterlich über eine lange Karriere hinweg gesammelt. Schon 1959, als das Automobiltuning in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckte, machte er beim berühmten Automobiltuner ABT Sportsline seine Lehre. Schon bald nach der Ausbildung wird er zu einer tragenden Kraft im Rennbereich, konstruiert erfolgreich an den Straßensportwagen von der Motorsportsparte von ABT Sportsline wie NSU Prinz und Fiat Abarth mit. Am Erfolg der ABT-Truppe in den Bergrennen der 70er ist er maßgeblich mitbeteiligt. Für den NSU Prinz entwickelt er als Erster Mechaniker überhaupt ein Direkteinspritzystem, dass bei den Bergrennen einen entscheidenden Vorteil bringt: Im Gegensatz zu den anderen Rennmodellen nimmt der Direkteinspritzer lückenlos ab der Leerlaufdrehzahl Gas an, da das Benzin dem Motor viel schneller zugeführt wird. Und in den Spitzkehren der Bergrennen, in denen die Autos deutlich an Geschwindigkeit verlieren, ist jede Sekunde kostbar. In der Folge gewinnt das ABT-Rennteam alle 18 Rennen der deutschen Bergmeisterschaft. Zwei Jahre in Folge. Die anderen Rennteams frustriert der Erfolg der Rennfahrertruppe aus dem Allgäu außerordentlich. „ Da Abt, nimm deinen Siegerkranz und lass uns in Ruhe Rennen Fahren!“ – haben die zu uns gesagt, erinnert sich Bitterlich mit einem Schmunzeln an die sehr erfolgreichen Jahre bei ABT, die ihn an die Spitze des Motorsportteams katapultieren.

Mit Renommee in der Szene zur eigenen Firma

Als er schließlich merkt, dass er seine Ideen bei ABT Sportsline nicht mehr umsetzen kann, gründet er Anfang der 80er Jahre sein eigenes Unternehmen. Durch seine Erfolge im Motorsport bekommt Bitterlich von Anfang an volle Auftragsbücher: „Ich hatte mir einen Namen in der Szene gemacht. Deshalb lief die Werkstatt von Anfang an gut, erinnert er sich“. Neben dem Aufbau seines Kundenstammes macht er als Subkontraktor noch zwei weitere Jahre mit seiner eigenen Firma die Rennvorbereitung für ABT Motorsport.

Von München ins Allgäu für die Wartung: Der Geheimtipp Autotechnik Bitterlich

Auch heute kann Bitterlich auf Werbung verzichten, sein Ruf als Ausnahme-Handwerker, der das Tuning wie kein Zweiter versteht, reicht vollkommen aus. Ständig klingelt sein Handy oder das Werkstatt-Telefon und Geschäftskunden wie Privatmänner bitten Ihn um seine Dienste. Wer es nicht selbst erlebt hat, könnte gar nicht glauben, dass Bitterlich trotz all denn Telefonaten noch dazu kommt, selbst eines der zahlreichen Autos in seiner Werkstatt zu tunen. Sobald ein Wagen fertig ist, rollt schon das nächste KFZ in die Kleine Werkstatt im Wiggensbach im Oberallgäu. Dabei nehmen selbst gut betuchte Kunden enorm lange Anfahrten und Wartezeiten in Kauf. Einer seiner Kunden fährt jedes Jahr mehrmals drei Stunden von München ins Oberallgäu, um seinen Porsche von Bitterlich warten zu lassen. Über die Jahre ist seine Firma „Autotechnik Bitterlich“ zu einem Geheimtipp der Szene avanciert.

Kein Klischee, sondern Qualität: Wie eine kleine Tuningfirma lange besteht

Obwohl Bitterlich so ganz anders ist als die Vorstellung, die ein Laie von einem Automobiltuner hat. Seine Werkstatt hat keinen Showroom mit flügelstrotzenden PS-Monstern, sondern ist in einem normalen Zweifamilienhaus mit zwei Etagen untergebracht und hat eher den Charme einer normalen Werkstatt von nebenan als den Anschein einer Hightech- überladenen Muskelschmiede für Autos. Was auch gar nicht zu Bitterlich passen würde. Überhaupt fällt auf, dass Bitterlich trotz seiner vielen Erfolge sehr bescheiden ist. Selbst sein Privatwagen – ein Audi TT mit 400 PS verrät optisch in keiner Weise, dass er schlappe 200 PS mehr unter der Haube hat als die Serienversion. Auch beim Tuning selbst geht Bitterlich konservativer vor als viele Kollegen. Schon in den 80er Jahren, als die Tuning-Welle in Deutschland ihren Höhepunkt erreichte und Spoiler und Breitbau zum guten Ton gehörten, empfiehlt Bitterlich Tuninginteressierten, in ein stärkeres Fahrwerk und bessere Bremsen zu investieren, bevor sie über Modifikationen am Motor nachdenken: „Die haben das gar nicht wahrhaben wollen“, erinnert sich Bitterlichs Frau an die Startzeit seiner Firma. Statt auf Showtuning setzt Bitterlich von Anfang an auf Lösungen, die mit ihrer Leistung überzeugen: „Ich habe immer auf extreme Qualität geachtet – so konnte ich sicherstellen, dass meine Werkstatt erfolgreich wird“, erklärt er seine Philosophie. Eine Nachhaltigkeitsstrategie in der schnellebigen Welt des Automobiltunings sozusagen. Und die Zeit gibt Ihm Recht. Während viele erfolgreiche Tuningbetriebe aus den 80er Jahren wie Koenig schon lange insolvent sind, läuft sein Betrieb nach wie vor weiter. Seine Philosophie zahlt sich aus